In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland stark verändert. Nach einem langjährigen Rückgang erleben wir seit wenigen Jahren wieder einen deutlichen Anstieg. Was steckt dahinter – und wie geht es weiter?
Rückblick: Zwei Jahrzehnte im Wandel
Im Jahr 2005 verzeichnete Deutschland über 36.000 Unternehmensinsolvenzen. Besonders kleinere und mittelständische Unternehmen waren betroffen. In den folgenden Jahren ging diese Zahl stetig zurück – unter anderem aufgrund der stabilen Wirtschaftslage, niedriger Zinsen und guter Exportzahlen.
Ein markanter Tiefpunkt wurde 2019 erreicht, mit nur noch rund 18.700 Insolvenzen – etwa halb so viele wie 15 Jahre zuvor. Doch dieser Rückgang hatte nicht nur wirtschaftliche Ursachen.
Pandemie und Sondereffekte: Der „künstliche“ Tiefstand
Während der Corona-Pandemie (2020–2021) trat ein historisch einmaliger Effekt auf: Die Insolvenzantragspflicht wurde zeitweise ausgesetzt, um Unternehmen vor dem unmittelbaren Aus zu bewahren. Die Folge: 2020 wurden nur knapp 15.800 Unternehmensinsolvenzen gemeldet – ein künstlich verzerrter Tiefstand.
Diese „Stille-Reserve-Insolvenzen“ holt das System nun langsam wieder ein.
Trendwende seit 2022: Insolvenzen steigen wieder
Seit 2022 steigen die Zahlen der Unternehmensinsolvenzen wieder deutlich:
- 2022: ca. 14.600 Fälle
- 2023: ca. 17.800 Fälle (+22 %)
- 2024: ca. 21.800 Fälle (+22 %)
- Prognose 2025: bis zu 26.000 Fälle
Damit nähert sich das Niveau wieder dem Stand von 2016–2017 an.
Was sind die Ursachen für den Anstieg?
Der aktuelle Anstieg der Insolvenzen lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
1. Wirtschaftliche Abschwächung
Das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist angespannt: niedrige Wachstumsraten, Exportprobleme und eine Investitionszurückhaltung prägen die Lage.
2. Steigende Energie- und Rohstoffkosten
Vor allem seit dem Ukrainekrieg sind Energiepreise drastisch gestiegen – eine enorme Belastung für energieintensive Betriebe.
3. Zinswende
Die Niedrigzinsphase ist vorbei. Kredite und Unternehmensfinanzierungen sind spürbar teurer geworden, was besonders junge und kapitalintensive Firmen trifft.
4. Nachholeffekte
Viele Insolvenzen, die in der Pandemie „ausgesetzt“ wurden, treten nun verzögert ein.
5. Strukturelle Herausforderungen
Digitalisierung, Klimaschutzvorgaben, Lieferkettenprobleme und Fachkräftemangel setzen vor allem traditionellen Branchen zu.
🔍 Besonders betroffene Branchen
Laut aktuellen Erhebungen sind vor allem folgende Sektoren betroffen:
- Bauwirtschaft: Rückgang der Aufträge, hohe Materialkosten
- Einzel- und Großhandel: sinkende Kaufkraft, zunehmender Onlinehandel
- Logistik & Verkehr: hohe Energiepreise und Margendruck
- Industrie/Verarbeitung: steigende Finanzierungskosten, Investitionsstau
Auch Start-ups und junge Technologieunternehmen geraten zunehmend unter Druck.
Ausblick: Geht der Trend weiter?
Für das Jahr 2025 rechnen Experten mit weiteren Insolvenzzuwächsen. Zwar ist kein sprunghafter Anstieg zu erwarten, jedoch wird eine Normalisierung auf ein „robustes Niveau“ erwartet – möglicherweise zwischen 25.000 und 28.000 Fällen jährlich.
Eine Trendumkehr wird erst dann erwartet, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld stabilisiert: Niedrigere Energiepreise, eine sinkende Inflation und neue Investitionsimpulse könnten dann zur Entlastung beitragen.
Fazit
Die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland zeigen klar: Nach einer Phase der historischen Tiefstände infolge staatlicher Eingriffe kehrt die Realität zurück. Für viele Betriebe wird die wirtschaftliche Lage zur Belastungsprobe.
Doch Insolvenzen bedeuten nicht immer das endgültige Aus – sie können auch Chancen für Neuausrichtung, Sanierung oder Restrukturierung bieten. Entscheidend ist, dass Unternehmen frühzeitig auf Risiken reagieren, sich strategisch anpassen und nicht zu lange warten.